Aufreger
Aufreger: Eine Dame sucht ihren Hund
Eine Dame erscheint bei uns im Tierheim und stellt sich als Tierpflegerin in Z. vor. Sie möchte ihren Hund abholen, den uns die Polizei am Vortag gebracht hätte.
Aber gern doch.
Das Problem ist nur: Die Polizei hat uns gar keinen Hund gebracht. Auch sonst niemand. Wir haben die ganze Woche über keinen Hund aufgenommen.
Wir sagen das der Dame, doch sie glaubt uns nicht, denn schließlich hätte die Polizei es gesagt. Nein, das muss ein Missverständnis sein. Es wurde bestimmt ein anderes Tierheim genannt.
Doch sie beharrt darauf, dass wir ihren Hund haben, denn sie hört ihn ja bellen. Spätestens jetzt wissen unsere Tierpfleger: Es wird stressig.
Sie rufen verzweifelt beim Vorstand an, was sie denn mit der Dame machen sollen.
Ganz einfach: wenn die Dame "ihren" Hund bellen hört, soll sie schnell dahin laufen und ihn zeigen. Kein Raum ist tabu - sie soll jede Ecke untersuchen, die sie möchte.
Während die Dame unser gesamtes Gelände abstreift, um dann jedesmal festzustellen, es ist ein anderer unserer 80 fröhlich vor sich hin kläffenden Hunde, aber nicht ihrer, wählen wir uns die Finger wund. Wir geben uns jede Mühe, denn zum einen haben wir Verständnis für die Dame. Jeder von uns wäre selbst auch aufgeregt, wenn unser Hund weg wäre. Zum anderen bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, als den Hund zu finden, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass es die nächsten 20 Jahre im Umkreis von tausend Meilen heißt: Die da in Verlorenwasser lassen doch immer Hunde verschwinden. So mancher Mitbürger beteiligt sich in Ermangelung eigener konstruktiver Fähigkeiten nur zu gern am Verbreiten von üblen Gerüchten über andere.
Beim Herumtelefonieren erfahren wir, dass es nicht das erste Mal ist, dass die Frau ihren Hund sucht.
Auch erfahren wir von unseren Kollegen in Z., wo sie angeblich als Tierpflegerin arbeitet, dass niemand dort sie kennt. Auch die Mitarbeiter, die seit vielen Jahren dort arbeiten, kennen die Dame nicht - auch nicht als ehrenamtliche Helferin.
Nach einiger Zeit haben wir heraus, wo der Hund sich tatsächlich befindet.
Wir teilen der Dame die Adresse mit und bieten an, sie könne gern von unserem Festnetzanschluss aus dort anrufen, denn bei uns in der Gegend funktioniert ja kein Funktelefon.
Das möchte sie nicht. Sie will sich nicht ankündigen.
Wir wissen nicht, was die Dame schon alles Schlimmes erlebt hat und wie übel das Schicksal ihr eventuell schon mitgespielt hat. Deshalb maßen wir uns kein Urteil an.
Sie war bei uns höflich im Auftreten - da haben wir schon ganz anderes erlebt - und hat uns noch 20 Euro Spende dagelassen.
Wir möchten lediglich darauf aufmerksam machen, dass der ohnehin schon stressige Tierheimalltag durch solche Ereignisse nicht einfacher wird.
(Anmerkung: Im Foto ist natürlich ein anderer Hund abgebildet.)