Aufreger

Aufreger: Die Züchterin

Aufreger: Die ZüchterinEs war einmal...

Nein, jetzt beginnt kein Märchen. Es ist ein wahre Geschichte. Aber sie begann schon vor längerer Zeit.

Im Abstand von jeweils mehreren Tagen rief ein Mann an. Seine Mutter ist seit mehreren Wochen im Krankenhaus. Sie hat mehrere Hunde und Katzen. Er versorgt die Tiere abwechselnd mit seiner Schwester - aber beide sind beruflich stark eingespannt und keiner hätte mehr wirklich Zeit. Ob wir die Tiere in Pension nehmen können. Wir versuchen immer zu helfen und machen ein Angebot. Es geht hin und her. Sie werden sich nicht einig.

Auch die Schwester ruft an. Sie kann nur alle zwei Tage zu den Tieren hin. Mehr ginge nicht. Ihr Bruder macht gar nichts mehr.

Wir bieten wieder unsere Hilfe an. Aber sie kommen nicht zu Potte.

Da meldet sich die Rentnerin selbst. Sie müsse das nun endlich direkt in die Hände nehmen, weil ihre Kinder es nicht hinbekommen.

Sie und ihr Mann seien im Krankenhaus, weil sie beide die Treppe runtergefallen sind. Außerdem hätte ihr Mann Demenz und das sei alles schwierig. Wir wollen ihre Situation nicht ausnutzen und weichen erheblich von unseren normalen Gebühren ab und kommen ihr sehr entgegen.

Sieben Rüden und eine Hündin sowie drei Katzen will sie bringen. Sie ist Züchterin. Unser Tierheimleiter wird hellhörig. Die Hündin wird doch nicht etwa läufig oder trächtig sein? "Völlig ausgeschlossen", lautet die Antwort.

Sie kommt nicht wie vereinbart, sondern trifft erst weit nach Dienstschluss ein.

Aus einem vermüllten Auto lädt sie Futter, Körbchen und die Tiere aus, die zwischen dem ganzen Abfall ohne Sicherung sitzen. Die Hunde machen keinen guten Eindruck. Bis auf zwei sind sie dürr, die Augen sind verklebt, das Fell dreckig sowie komplett verklebt und verfilzt. Die Rüden stinken. Sie sei selbst erschrocken über den schlechten Zustand, sagt die Züchterin. Sie hätte sie ja seit Wochen nicht gesehen. Bei einem Hund hängt die Zunge raus. Das sei bei ihm schon immer so, lautet die Erklärung.

Außerdem sei die Hündin doch läufig.

Sie ist uns so unendlich dankbar, hören wir wieder und wieder. Niemand hätte ihr geholfen. Alle hätten abgelehnt. Nur wir wären bereit gewesen zu helfen. Und es sei alles so schön bei uns. Diese großzügigen Anlagen, und alles so gepflegt ...

Sie schwärmt von unserem netten Tierheimleiter, dem schönen Tierheim. Sie umarmt und drückt unsere Tierpflegerin.

Diese muss nun in der Nacht noch die Belegung im Hundehaus umräumen, weil die aufgenommene Hündin unerwartet doch läufig ist.

Am nächsten Tag wird das volle Ausmaß sichtbar. Die Hunde sind in wirklich sehr schlechtem Zustand. Eine Gassigeherin - selbst langjährige Besitzerin dieser Rasse - ist entsetzt.

Das mitgebrachte Trockenfutter rühren die Tiere nicht an. Es ist auch wirklich schlechtes Zeugs, außerdem alt und voller Motten. Unsere Hunde bekommen diese Sorte nicht und in solchem Zustand schon gar nicht.

Wir bieten Fleischfutter an. Die Hunde nehmen es dankbar an und schlagen kräftig zu, obwohl manche Probleme beim Fressen haben - besonders der mit der heraushängenden Zunge.

Die mitgebrachten Weidenkörbchen sind zernagt, haben große Löcher. Geflechtstangen stecken scharf raus. Die Körbchen sind nicht nur kaputt, sondern gefährlich. Und sie sind voller eingetrocknetem Kot. Wir reinigen sie so gut es geht. Aber selbst mit einem Hochdruckreiniger werden sie nicht richtig sauber. Wir stellen sie weg. Die Tiere bekommen welche von uns.

Wir wollen die Hunde zum Gassi mitnehmen, doch sie kennen weder Halsband noch Leine. Nur die Hündin scheint sich auszukennen. Die Rüden haben keinerlei Erfahrung. Sie scheinen nur in kleinen Zwingern oder ähnlichem gelebt zu haben - ohne Ausgang, denn sie pinkeln und kacken hin, wo sie grad stehen: neben die Körbchen, in die Körbchen, auf ihre Schlafdecken, sich gegenseitig.

So etwas haben wir noch nie erlebt. Selbst die Hunde bei uns, die nicht stubenrein eintreffen, machen nicht auf ihren Schlafplatz und nicht das eigene Körbchen oder die Decke schmutzig.

Wir lassen die Tiere von unserer Tierärztin untersuchen. Sie ist ebenfalls entsetzt. Besonders der Hund mit der heraushängenden Zunge macht uns Sorgen. Unsere Tierärztin hat den Verdacht, dass bei dem Hund der Kiefer gebrochen oder zumindest angebrochen ist. Aber das kann man nur durch Röntgen zweifelsfrei feststellen.

Wir vereinbaren gleich einen Termin zum Röntgen und evtl. notwendiger Behandlung für den nächsten Morgen, obwohl wir skeptisch sind, dass die Züchterin für die Kosten aufkommen wird. Aber das ist uns egal, denn wir können das Hundchen so nicht lassen.

Wir wollen die Züchterin im Krankenhaus nicht aufregen, aber sie doch informieren, dass wir zum Tierarzt fahren.

Wir erwarten ein großes Dankeschön, doch am Telefon spricht plötzlich eine "andere" Frau.

Sie schreit und brüllt. Wir hätten ihren Hund misshandelt. So ein schlimmes Tierheim hätte sie noch nie erlebt. Sie untersagt das Röntgen und jegliche tierärztliche Behandlung. Sie wird ihre Tiere sofort abholen. Sie muss sich nur ein Auto besorgen.

Wir versuchen, sie nochmals im Krankenhaus zu erreichen. Es ist eine Oberärztin dran. Sie ist so aufgeregt, als sie den Namen der Züchterin hört , dass sie ihre ärztliche Schweigepflicht vergisst und loslegt: sie sind an schwierige Patienten gewöhnt. Aber diese Frau sei nicht normal. Sie würde seit Wochen alle terrorisieren, nur schreien und schimpfen . Sie hat eine Stationsärztin so fertiggemacht, dass diese weinend weggerannt ist.

Na ja, zumindest sind wir nicht allein mit unserem Problem.

Aufgrund des Verbotes, den Hund zu röntgen, kommt uns eine Ahnung, dass da etwas verschleiert werden soll, denn anhand des Röntgenbildes hätte man evtl. feststellen können, dass der Bruch schon lange besteht.

Wir schalten das Veterinäramt ein. Eine Amtstierärztin kommt und ist ebenfalls erstaunt über den schlimmen Zustand der Hunde. Sie fasst dem Hund mit der heraushängenden Zunge ins Mäulchen und ruckelt am Gebiss. Es ist ein Kieferbruch, lautet ihre Feststellung.

Die Tiere sollen bei uns verbleiben. Die Züchterin darf sie nicht abholen. Die Amtsveterinärin wird eine entsprechende Verfügung erlassen. Und wir sollen mit dem Hund zum Tierarzt fahren und ihn behandeln lassen. Sofort beginnen wir herumzutelefonieren, um einen Tierarzt zu finden, der solch eine OP durchführen kann und kurzfristig einen Termin frei hat. Nach drei Stunden am Telefon haben wir einen spezialisierten Tierarzt in Berlin gefunden.

Doch die Verfügung kommt nicht. Wir fragen mehrfach nach. Das Amt berät noch. Abends kommt der Anruf, wir sollen die Tiere herausgeben. Die Züchterin werde sie am nächsten Tag abholen. Die Amtstierärztin war beim Haus der Züchterin gewesen. Dort sei alles in Ordnung. Wir wenden ein, dass in der vergangenen Woche genug Zeit gewesen sei, alles in Ordnung zu bringen, denn auch der Medizinische Dienst war ja avisiert wegen der Pflegeeinstufung des Mannes. Außerdem ist das nur die Adresse des Mannes. Die Züchterin hat ein Haus am anderen Ende von Berlin. Die Adresse steht auch in ihrem Ausweis. Aber das ist ein anderer Amtsbereich, wehrt die Amtstierärztin ab.

Wir machen uns Sorgen: Die Züchterin kann jetzt alle Beweise vernichten und den Hund einfach einschläfern lassen ohne Röntgen (so kam es dann auch). Vor allem aber werden die Hunde unter diesen Bedingungen weiterleben. Eine schlimme Vorstellung für uns.

Kein Argument griff. Wir mussten die Hunde herausgeben.

Als die Züchterin eintraf, ging sofort ihr hysterisches Gekreische los.

Sie verfrachtete die Tiere wieder in das mit Müll gefüllte Auto. Zwischen den Abfall postierte sie die Tiere. Wieder ohne Sicherung, alles flog durcheinander. Einen der Hunde riss sie unserer Tierpflegerin am Hinterbein aus den Händen. Sie trug den vor Schmerz jaulenden Hund am Hinterbein hängend zum Auto und warf ihn hinein.

Das ganze Tierheim sei ein Saustall. Überall Dreck und Gestank. Ihre Tiere hätten wir absichtlich verwahrlosen lassen. Wir hätten sie hungern lassen.

Der Tierheimleiter hätte den Hund vom Tisch heruntergestoßen und ihn mit dem Fuß getreten. Dadurch sei der Kiefer gebrochen. Sie wird dafür sorgen, dass man uns die Bude dicht macht. Den Skandal wird sie an die Öffentlichkeit bringen. Sie wird sich das ganze Geld zurückholen. Wir werden noch von ihr hören.

Doch es blieb ruhig.

Nach einem Jahr kam ein Brief. Sie forderte Schadenersatz von Hunderten von Euro für den elfjährigen Zuchtrüden, den sie hatte einschläfern lassen, außerdem Tierarztkosten usw.

Wir antworteten mit einem Einzeiler.

Seitdem ist es nun wieder ruhig.

"Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage."

Aber unsere Geschichte ist ja leider kein Märchen.

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